Nasser Standort für die Heinrich-Böll-Gesamtschule

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Stadtrat beschließt in Bornheim-Merten den Neubau von Wohnhäusern, KITA und einer Schule im Überflutungsbereich des Breitbaches

Im Februar 2023 beschloss der Fachausschuss für Stadtentwicklung bei nur zwei Gegenstimmen, von FDP und ABB, Grundsätze für eine zukünftige städtebauliche Entwicklung in Bornheim.

Ein Beschluss unter dem „Leitbild C Klimaschutz“ lautet: Zukünftig sollen keine neuen Baugebiete mehr in gesetzlich festgesetzten Überschwemmungsgebieten entwickelt werden. Diese Überflutungsgebiete wurden in „Starkregengefahrenkarten“ eingezeichnet und liegen seit Februar 2015 der Stadt vor. Im Mai diesen Jahres wurde im Ortsteil Merten ein genau solcher Bebauungsplanentwurf im Überflutungsgebiet erneut veröffentlicht. Er befand sich bis zum 5. Juli 2023 im Prozess der Bürgerbeteiligung.

Wie und warum konnte dies geschehen?

Im Januar 2018 hatten die CDU-, UWG- und die FDP-Fraktionen einen Antrag beim damaligen Bürgermeister Wolfgang Henseler eingereicht. Antragsziele waren: 1. eine Acker-Fläche -nördlich der Mertener Händelstraße-  für den Neubau einer Sekundarschule zu prüfen, 2. einen Bebauungsplan für das Gebiet aufzustellen, 3. die frühzeitige Bürgerbeteiligung einzuleiten und 4. eine Einwohnerversammlung durchzuführen. Im März beschloss der Rat mit den Stimmen von CDU, UWG, FDP und ABB den B-Plan Me18 aufzustellen. Bürgermeister Wolfgang Henseler, die SPD- und die GRÜNE Fraktion enthielten sich bei dieser Zustimmung, weil zuvor der SPD/GRÜNE-Zusatzantrag  auf Verbleib des ausgedehnten Landschaftsschutzgebietes, entlang des Breitbaches,  keine Mehrheit im Stadtrat gefunden hatte.

Der MONTANA Deal

Das ganze Geplänkel um das Landschaftsschutzgebiet war aber nur Reaktion auf ein pikantes Vorspiel. Der Investor die MONTANA Wohnungsbau GmbH aus Bad Honnef hatte im Vorfeld mutmaßlich mit den drei Antragsfraktionen gesprochen und klargestellt, dass für die Grundstücke, wo dieses Trifolium die Heinrich-Böll-Schule (HBS) neu bauen wollten, die Wohnungsbau GmbH Optionsverträge hätte, die der MONTANA ein Kaufrecht einräumten. Doch wenn CDU/UWG/FDP mit ihrer politischen Mehrheit dafür nördlich bis zum Breitbach weiteres Wohnbauland zu Verfügung stellen würden, könnte die Stadt die angedachte Fläche für die Schule von der MONTANA GmbH bekommen. Die Lannerstraße (Landschaftsschutzgebiet) würde dann zukünftig als Erschließungsstraße für das Baugebiet dienen.

Von da an ging alles seinen geplanten Lauf. Mit Zustimmung der Unteren Landschaftsbehörde wurde eine Entlassung aus dem Landschaftsschutz betrieben, der Bebauungsplan wurde nördlich bis zur Lannerstraße erweitert und die Stadt bekam rund 12.000 m² und später noch einmal weitere 3.000 m² für den Schulneubau. Im Gegenzug verzichtete die Stadt im Dezember 2018 per Dringlichkeitsentscheidung auf ihr Vorkaufsrecht nach Baugesetzbuch.

Drei Jahre lang keine weiteren Informationen

Dass die vorgesehene Schulbaufläche in einem Überflutungsgebiet liegt, wie auch weitere Wohnbaubereich im Zuge der Lannerstraße und des Standortes der KITA, wurde vom Planungsamt und vom Dezernenten Manfred Schier 2018 mit keinem Satz in den Sitzungsunterlagen erwähnt. Auch im Dezember 2019, als die frühzeitige Beteiligung der Einwohner und die der Behörden beschlossen wurde, geschah keine diesbezügliche Information, obwohl die Starkregengefahrenkarten der Stadt seit 4 Jahren bekannt waren. Erst drei Jahre später, im Dezember 2022, erfuhren auch die mittlerweile 25 neuen Mitglieder des Stadtrates in einer Vorlage, was das Bornheimer Abwasserwerk (AWW) an das städtische Planungsamt vorab im Februar 2020 u. a. geschrieben hatte:

„Grundsätzlich sollte mit Beginn eines Bebauungsplanverfahrens auf eine nachhaltige und wassersensible Stadtplanung hingearbeitet werden… Es ist auf einen ausreichende Überflutungsschutz zu achten… es sind insbesondere die angrenzenden Grundstücke mit Tiefgaragen, Kellerzugänge und Räume gefährdet, die unterhalb der Straßenoberfläche liegen.“

2023 ergänzte das Abwasserwerk seine Bedenken hinsichtlich des geplanten Regenwasser-Versickerungsbeckens noch dahingehend, dass dieses Becken am falschen Platz geplant worden wäre. Das AWW schlug vor, das Becken weiter zurück zum Tiefpunkt des Plangebietes, an den Rand der Stadtbahntrasse, zu verlegen. Diesem Wink mit dem Zaunpfahl wurde aber nicht entsprochen.

Auf eine diesbezügliche Nachfrage von mir beantwortete die Stadt:

„Es ist der richtige Standort, den die Stadt ausgewählt hat und es ist abgewogen und die Stellungnahme des AWW ist eingegangen in die Überlegung zur weiteren Planung.“

Fachlich korrekt hatte das Abwasserwerk auf die seit 2015 bekannte Starkregengefahrenkarten hingewiesen, die Teile des Planbereich des Me18 als hoch gefährdet einstuften, siehe auch den LA VILLE Beitrag von August 2022: Der Bornheim Hochwasserschutz auf dem Prüfstand.

Wilfried Hanft (SPD) sprach in der Sitzung die kritische Stellungnahme des AWW zum Standort des Regenwasser-Versickerungbeckens an und verwies auf die bekannte Starkregengefahrenkarte für den Planbereich. Welche Vorkehrungen haben die Planer vorgesehen, damit nicht bei einem Starkregenereignis plötzlich die neue Schule unter Wasser stände, fragte er weiter?

Blick auf die Starkregengefahrenkarte Ta100 und den B-Plan Entwurf Me 18 in Bornheim-Merten von der Bonn-Brühler Straße.

Andreas Erl (Leiter des Planungsamtes) stritt ab, dass hier eine Überflutungsgefahr bestände. Mit dem neuen Versickerungsbecken im Plangebiet würden alle anfallenden Niederschlagsmengen problemlos aufgefangen und man hätte ja zusätzlich noch den Notabschlag in den Breitbach. Auch für die Wohngebäude bestehe, laut dem hydrologischen Gutachten, keine Überflutungsgefahr, weil alle Hauseingänge höher liegen als das Straßenniveau. Für die Schule sei im Baugenehmigungsverfahren eine gesonderte Betrachtung vorgesehen und ggf. würden vorbeugende Maßnahmen eingeleitet.

Vermutlich hatte die Leitungsebene des Planungsamtes wohl nicht die Analyse des von der MONTANA beauftragten Ingenieurbüros auf Seite 11 + 12 gelesen. Denn dort ist in einer Tabelle dargestellt, dass die Wasserstände in den Überstaubereichen der Schule mit Höhen von 30 bis 47 cm als „hoch“ eingestuft sind.

Doch was geschieht bei einem Starkregenereignis wie im Juli 2021? Steht dann der Schulhof 50 cm unter Wasser? Laufen die Tiefgaragen der Mehrfamilienhäuser und die Keller der einzelnen Wohnhäuser voll mit Regenwasser? Flutet der Breitbach die KITA-Räume und den Außenspielplatz?

Messpunkt010304050607080910111213Versickerungs-
becken
Wasserstand
cm
37,531,033,535,021,237,047,018,433,537,023,542,0191,0
Gefahren-
klasse
HochHochHochHochMäßigHochHochMäßigHochHochMäßigHoch
Daten: Überflutungsüberprüfung, Büro Kohlenbach+Sanders BONN


Die Kanalisation ist nur für ein 5 bis in Teilbereichen für ein 20-jähriges und die Rückhalte- und Versickerungsbecken sind für ein 100-jähriges Starkregenereignis berechnet.

Wenn aber Regenmengen bis zu 140 L/m² gemessen werden, wie am 14. Juli 2021 über Merten abfielen, spricht die Fachwelt von einem weit über 100-jährigen Starkregenereignis. Dazu kann und wird das städtische Kanalnetzt nie ausgebaut werden. Durch die globale Klimaveränderung werden diese tropischen Regenmengen aber in viel kürzeren Abständen uns treffen.

Das Hochwasserrückhaltebecken (HBR) am Breitbach und das Regenwasserversicherungsbecken (RVB) im Me 18 sind voraussichtlich zu gering dimensioniert, um eine Überflutung der KITA-, Schul- und Wohnbereiche im Me 18 weitgehend zu verhindern. Selbst die Stadt musste in einer Stellungnahme zugeben, dass was bei Starkregenereignissen passiert, 100 Liter pro Quadratmeter und mehr, nicht den Planfall für die Infrastruktur darstelle. Im Klartext:  Für diese Wassermengen werden die städtischen und auch die Rückhaltebecken der beiden Wasserverbände nicht ausgebaut und bieten somit keinen sicheren Überflutungsschutz bei Starkregenereignisse.

Der einzige reale Schutz für die eigene Immobilie werden zusätzlich Vorsorgemaßnahmen der Hauseigentümer sein. Das wiederum verteuert jedes Bauprojekt im Entstehungsprozess oder später umso mehr, wenn nachgerüstet werden muss. Für Investoren und Bauherren ein Risiko. Ebenso für die Stadt Bornheim, die im Überflutungsbereich eine Schule bauen will. Bei diesem Schul-Projekt trägt allein der Steuerzahler die Last der Kosten. Ob dies alle Stadtratsmitglieder bei ihrem Beschluss, im Me18 die Heinrich-Böll-Schule neu zu bauen bedacht haben?

Nur wenn die Stadt die Planungsempfehlungen des Ingenieurbüros vorsorglich beachte, z.B. dass die Gebäudeeingänge stehts 30-50 cm über dem Straßenniveau liegen, druckwasserdichte Kellerfenster eingebaut und weitere spezielle Vorbeugemaßnahmen eingeleitet werden, würde dies die Situation „wesentlich verbessern“, so das Büro Kohlenbach+Sander im Gutachten zur Einschätzung der Risiken im Me 18 Plangebiet. Eine präzise Formulierung wie z.B.: „Dass nach dem Ausbau des Kanalnetzes und des Versickerungsbeckens eine Überflutungsgefahr ausgeschlossen sei“, wird im Fazit des Gutachten explizit nicht verwendet.

Blick von der Bonn-Brühler Straße auf die Grundstücke des B-Plan Me18

Bedenklich: keine Diskussion über Bürgervorschläge

Über die 38 Stellungnahmen aus der Bürgerschaft wurde weder im Stadtentwicklungsausschuss noch später im Stadtrat debattiert. Kein Ratsmitglied ging mit nur einem Wortbeitrag auf die Bedenken und Vorschläge der Bürger zu diesem Planvorhaben ein. Die meisten Anregungen oder Wünsche waren in der Sitzungsvorlage von der Verwaltung vorsorglich abgelehnt worden und diesen negativen Vorentscheidungen schlossen sich die Ratsmitglieder mit ihrer Zustimmung zum Beschlussentwurf des Bürgermeisters ohne Kommentar an.

Auch fragte keiner der Ratsfrauen und Ratsherren nach der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des umstrittenen Hakenkreuz-ähnlichen Grundrisses der Heinrich-Böll-Gesamtschule.

Nach nur fünf Minuten war bei der 2. Lesung im Stadtrat alles vorbei. So viel zur vielbeschworenen Bürgerbeteiligung und Respekt vor den Belangen der Bornheimer Bürgerschaft.

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