Ein Stadthaushalt, der Schuldentilgung in die Zukunft verschiebt
Im Mai beschloss der Bornheimer Stadtrat mit großer Mehrheit seinen Haushaltsplan für die kommenden zwei Jahre. Bemerkenswert war, dass Bürgermeister Christoph Becker an der Abstimmung nicht teilnahm. Doch warum verweigerte der neuen Bürgermeister dem von seinem Vorgänger Wolfgang Henseler (SPD) eingebrachten Stadthaushalt seine Zustimmung? Auf Nachfrage antwortete er:
„In der ersten Phase meiner Amtsführung habe ich bewusst an keiner Abstimmung teilgenommen und dies auch den Fraktionen mitgeteilt. Mein Anliegen war es, dadurch in den ersten Wochen nach dem Wahlkampf meine Art der parteiunabhängigen und moderierenden Amtsführung deutlich zu machen.
Meine Haltung zum Haushalt habe ich nichtsdestotrotz nach der Beschlussfassung im Rat deutlich zum Ausdruck gebracht, in dem ich mich bei allen für die sehr konstruktive Zusammenarbeit und den gemeinsam erarbeiteten Konsens sowohl hinsichtlich des tragfähigen Haushalts als auch hinsichtlich des zukunftsorientierten Stellenplans herzlich bedankt habe. Dass Haushalt und Stellenplan mit einer so überwältigenden Mehrheit (43 Ja- zu 6 Neinstimmen) verabschiedet wurden, freut mich sehr, da es ein Zeichen der konstruktiven Zusammenarbeit innerhalb des Rates und zwischen Rat und Verwaltung ist.
Mittlerweile ist die Zusammenarbeit mit allen Fraktionen gut angelaufen und alle Beteiligten konnten feststellen, dass ich meine im Wahlkampf als parteiloser Kandidat in Aussicht gestellte Art der Amtsführung umsetze. Daher habe ich in der vergangenen Ratssitzung (Juni) mit eben dieser Begründung öffentlich erklärt, dass ich von jetzt an an den Abstimmungen teilnehme, damit sowohl die Ratsmitglieder als auch unsere Bürgerinnen und Bürger meinen Standpunkt erkennen können.“
Doch unabhängig von dieser persönlichen Haltung des Bürgermeisters bleibt ein großes und nicht zu beschönigendes Problem im beschlossenen Stadthaushalt: Die hohen Überziehungskredite (Liquiditätskredite) für die Finanzierung der „Betriebskosten“ der Stadt Bornheim. Es sind nicht die zusätzlichen Investitionskredite für die kostenintensiven Hoch- und Tiefbaumaßnahmen, die die Stadt jährlich am Kapitalmarkt zum fast Nullzinssatz aufnimmt. Denn hier steht der Kreditaufnahme eine Werterhaltung der Immobilien im Hoch- und Tiefbau, eine Erhöhung des Eigenkapitals und eine Verbesserung der kommunalen Infrastruktur gegenüber. Es sind die monatlichen Unterhaltungskosten (Personal-, Stadtrat-, Energiekosten etc.) des Dienstleistungsbetriebs Stadt Bornheim, die uns Bürgern Sorgen bereiten sollten. Allein diese konsumtiven Kredite betragen jährlich immer noch pro Einwohner 1.575 Euro. Der negative Differenzbetrag (Saldo) zwischen Aufnahme und Tilgung dieser Kredite lag 2019 bei rund 41,5 Mio. Euro.
Bornheim braucht 47 Jahre zur Schuldentilgung
Die Gesamtverschuldung der Stadt (investiv und konsumtiv) stieg ab 2019 von 214,6 Mio. auf 230,6 Mio. Euro im Jahr 2020, also um weitere 16 Mio. Euro. Pro Einwohner betrug im vergangenen Jahr die gesamte Kreditbelastung umgerechnet 4.772 Euro vom Baby bis zum hochbetagten Bornheimer Bürger. Alle Zahlen nachzulesen in den städtischen Vorlagen zum Haushaltsgeschehen. Der Überschuldungsgrad Bornheims liegt derzeit bei 194 Prozent. Ein mittelständiger Betrieb müsste bei diesen Kennzahlen längst Insolvenz angemeldet haben. Um das Zweifache übersteigt die städtische Verschuldung das Eigenkapital. Unter „theoretisch“ gleichen Bedingungen bräuchte die Stadt 47 Jahre, um diese Schuldenlast zu tilgen, so der Kämmerer in seinem Lagebericht zum Haushalt 2020.
Trotzdem jubelten fast alle Fraktionen über den strukturell (Einnahmen sind höher als die Ausgaben) ausgeglichenen Haushalt ab 2020 mit den Prognosen für die Folgejahre bis 2025, und den damit gewonnenen neuen Spielräumen beim Geldausgeben. Doch dieser Ausgleich wurde nur mit einem erstmaligen „Bilanztrick“ in den CORONA Jahren von Ministerpräsident Armin Laschet und Landesfinanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) ermöglicht. Zwar wurden CORONA bedingte Steuer- und Beitragsausfälle im Jahre 2020 in Höhe von 3,7 Mio. Euro von Bund und Land übernommen, trotzdem bleibt in den kommenden 2 Jahren eine prognostizierte Corona bedingte Mehrbelastung des städtischen Haushaltes 2021 in Höhe von 8.4 Mio. und 2022 zusätzlich in Höhe von 9,8 Mio. Euro bestehen. Tendenz bis 2024: jährlich weiter Einnahmeausfälle. Was tun, war die Frage an die Landesregierung NRW und ihre Lösung per Gesetz war, dass diese zusätzlichen CORONA bedingten Belastungen über eine Nebenrechnung erfasst, fortgeschrieben und als eine „Bilanzierungshilfe“ populär dargestellt werden. Doch dies ist keine echte Hilfe, sondern nur eine für die öffentlichen Haushalte zulässige neue Darstellungsposition in der Bilanz. Denn diese in einem Nebenkonto geparkten Beträge müssen ab dem Haushaltsjahr 2025, längstens über fünfzig Jahre, von der Stadt refinanziert werden. Derzeit geschätzte Gesamtsumme: 42,2 Mio. Euro. Die dann voraussichtlich jährlich fehlende Liquidität muss am Kreditmarkt aufgenommen und/oder über Steuererhöhungen zusätzlich finanziert werden. Dies führt dann aber wieder zu einem deutlichen Anstieg der Kassenkredite. Ein Teufelskreis bis zum nächsten Konjunktureinbruch innerhalb dieser fünf Jahrzehnte.
„Die mit dem neuen kommunalen Finanzmanagement verbundene Umsetzung des Prinzips der Generationengerechtigkeit wird damit zumindest ein Stück in Frage gestellt“, so der Kämmerer Ralf Cugaly in seiner Rede zum Doppelhaushalt 2021/22.
Dem gegenüber stand der Vorschlag von Bundesminister Olaf Scholz (SPD), gemeinsam mit den Ländern die höchst verschuldeten Kommunen einmalig von ihren finanziellen Verpflichtungen bei den Liquiditätskrediten zu befreien. Rund 40 Milliarden Euro, verteilt über mehrere Jahre, wollte der Bundesfinanzminister aufwenden. Unterstützung fand der Finanzminister nicht nur bei seiner SPD, sondern auch beim Städte- und Gemeindebund NRW und bei den Kämmerern im Rhein-Sieg-Kreis. Doch CDU/CSU und FDP lehnten im Bund und in der Länderkammer dieses Entschuldungsprogram ab und verwiesen auf die Zuständigkeit der einzelnen Länder bei den Entschuldungshilfen für ihre Städte und Gemeinden. Auch an dieser Entscheidung werden die Wählerinnen und Wähler die Parteien, sowie die neue Bundesregierung im Wahljahr 2021 und ebenfalls bei der Landtagswahl 2022 sicherlich bewerten. „Noch sind die Zinsen niedrig und somit die 40 Milliarden Euro finanzierbar. Doch es ist absehbar, wenn dieses Zeitfenster sich schließt“, so abschließend Finanzminister Scholz.
Doch es gibt nicht nur Bedenkliches zum städtischen Haushalt zu berichten.
- So beschlossen die Ratsmitglieder zusätzlich, dass die Mehrkosten eines kostenfreien KITA-Besuchs von Kindern aus Familien mit einem niedrigen Jahreseinkommen nicht zusätzlich auf die Eltern mit einem Jahresbruttoeinkommen von über 24.542 Euro verteilt werden. Die Mehrkosten in Höhe von 85.000 Euro werden zukünftig aus den Stadthaushalt finanziert.
- Der Radwegeneubau in der Stadt wurde von 100.000 Euro auf 600.000 Euro in den nächsten zwei Jahren erhöht und zusätzlich die neue Stelle eines „Radwegemanagers“ im Tiefbauamt beschlossen.
- Von den anfallenden Sanierungskosten für die Herseler Rheinhalle werden jährlich 60.000 Euro von der Stadt Bornheim übernommen.
- Mit einem Prüfauftrag in Höhe von 10.000 Euro für die Schaffung eines Kultur- und Heimatmuseums wurde der Bürgermeister beauftragt. Und weiter 10.000 Euro für die Durchführung eines Ideenwettbewerbs mit Bürgerbeteiligung zur konzeptionellen Umsetzung eines Kulturzentrums.
- Für Klima- und Umweltschutzprojekte wurden 200.000 Euro 2021 und 400.000 Euro 2022 bereitgestellt und gleichzeitig eine zusätzliche neue Stelle „Klimabeauftragter“ im Umweltamt beschlossen.
All dies sind zusätzliche Mehrbelastungen (bis auf den investiven Radwegeneubau) des städtischen konsumtiven Haushaltes. Dies wäre bei einem bilanzierten Haushaltsdefizit ohne zusätzliche Steuererhöhung nicht möglich gewesen.
Hatte die Stadt Bornheim noch im Jahre 2019 und davor ein negatives Jahresergebnis (Defizit) von rund 5 Mio. Euro und erhöhte deshalb, um das Defizit zu verringern u.a. die städtische Immobiliensteuer, verzichteten diesmal alle Fraktionen im Stadtrat darauf, Anträge auf Steuererhöhung zu stellen. Denn im Jahre 2020 flossen 4.8 Mio. Euro „Bilanzierungshilfe“, als sogenannte außerordentliche Erträge, in die Bilanz ein. Nun betrug der Jahresüberschuss nach dem neuen NKF-COVID-19-Entlastungsgesetz beim Jahresergebnis plötzlich 3,3 Mio. Euro. Somit also alles im grünen Bereich? Nein, sicherlich nicht.
Ab 2021 kann sich die Stadt Bornheim erstmals seit Jahrzehnten aus den Fesseln des Haushaltsicherungskonzeptes und der damit verbundenen eingeschränkten Budgetverwaltung befreien. Doch wie vorgetragen müssen diese auf einem Schattenkonto geparkten CORONA-Gelder wieder zurückgezahlt werden und belasten die Haushalte ab 2025 aufs Neue. Voraussichtlich sind deshalb nach den Bundestags- und Landtagswahlen Steuererhöhungen auch auf kommunaler Ebene unabweislich.