Zukünftig kein verpflichtender Ganztagsunterricht am Bornheimer Humboldt Gymnasium
Das Bornheimer Fraktionstrio von CDU/UWG/FDP hatte eine Anregung der AvH Schulkonferenz zum Antrag erhoben den gebundenen Ganztagsbetrieb am Alexander von Humboldt Gymnasium (AvH) ab dem Schuljahr 20/21 aufzukündigen und die Nachmittagsunterrichtsstunden, ab 13 Uhr, in den Entscheidungsbereich der Schüler/innen zu stellen.
Dabei ist interessant zu wissen, dass die Schulkonferenz aus nur 18 Personen besteht, die sich mit 9 gegen und 9 Stimmen für diese Regelung aussprachen. Bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag in der Regel als abgelehnt. Da der Landesgesetzgeber aber bei Stimmengleichheit dem Schulleiter, wie im Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft, ein doppeltes Stimmrecht einräumt, hat der Schulleiter Christian Dubois im Sinne von Eltern, die u. a. im General Anzeiger den Ganztagsunterricht als „Schülerknast“ bezeichneten, diese Auflösung befürwortet.
Die zuständige Dezernentin Lissi v. Bülow (SPD) betonte zu Beginn der Sitzung, dass der Schulträger Stadt Bornheim diese Entscheidung nicht befürwortet, sie dies aber als eine „politische“ Entscheidung betrachtete, und wenn der Schulausschuss dies befürworte, sie dies selbstverständlich akzeptieren würde. Sie verweist aber auf die Bedenken der zuständigen Bezirksregierung hin und dass der Catering Betreiber der Mensa bei nicht ausreichenden Mensabesuchen ggf. seine Tätigkeit aufkündigen würde.
Damit lag die Schuldezernentin v. Bülow ganz auf der Linie der ehemaligen Schulleiterin Brigitte Engelhardt und 302 Eltern die 2004 in einer Elternbefragung sich für ein Ganztagsgymnasium ausgesprochen hatten. Daraufhin beschloss die Schulkonferenz damals mit großer Mehrheit den Ganztagsschulunterricht am AvH einzuführen.
Mit obligatorischem Unterricht an zwei Nachmittagen und ein fakultativer Nachmittag mit Arbeitsgemeinschaften. Hausaufgaben-Betreuung, Förderunterricht etc. und grundsätzlich: Kein Unterricht am Freitagnachmittag. Das Lehrpersonal wurde aufgestockt und der Stadtrat stelle die Mittel bereit für zusätzliche Klassenräume und eine Mensa für das Mittagessen. Fazit: Eine Zukunftsentscheidung für die Chancengleichheit die Schülerinnen und Schüler.
In einer leidenschaftlich vorgetragenen Rede begründete der neue Schuleiter Christian Dubois, 16 Jahre später, seine und die Meinung der einen Hälfte der Schulkonferenz warum man den nur an drei Schultagen stattfindenden, verbindlichen Ganztagsunterricht für die Mittelstufe, der nach insgesamt 3 Pausen ( 2×20 und 1x 45 Minuten Mittagspause) nur bis 16:20 Uhr dauert, zukünftig nun nicht mehr möchte.
„Die „Schule“ habe sich nach einer eingehenden und intensiven Diskussion vor einem halben Jahr sich für diese neue Variante des Schulunterrichts entschlossen. Bei der dann geltenden Regelung des „Halbtagsplus“ könnten selbstverständlich alle Schüler auch weiterhin die AGs besuchen und Hausaufgabenhilfe nachmittags in Anspruch nehmen. Es stünden weiterhin genügend Personalressourcen zur Verfügung, um den Prozess der Weiterbildung schwacher Schüler zu unterstützen.
Auf Rückfrage der SPD bestätigte Schulleiter Christian Dubois den Ausschussmitgliedern, dass die Hausaufgabenbetreuung zwar von externen Hilfskräften durchgeführt würde und dies, durch Umschichtung im Budget, in „absehbarer Zeit“ nicht zu einer Kostenbeteiligung der Eltern führte. Er könne dies aber nicht für alle Zeit garantieren.
„Diese Entscheidung der Konferenz wäre das Ergebnis von vielen Gesprächen mit Eltern, die jetzt ihre Kinder zum Gymnasium anmelden wollen, aber von der Schulleitung eine verbindliche Auskunft einfordern, ob das AvH zukünftig tatsächlich auf den gebundenen Ganztag verzichte, sonst würden sie ihre Kinder woanders anmelden“, so Christian Dubois.
Anmerkung:
Genau hier liegt der eigentliche Grund für die Umstellung. Der konservative Teil der Elternschaft will wieder zurück zum Vormittagsunterricht wie einst. Hatte aber bis dato nur die Möglichkeit auf die Bornheimer katholische Konfessionsschule der Ursulinen in Hersel oder auf weitere Konfessionsschulen in den Nachbarstätten mit Halbtagsunterricht auszuweichen. Man möchte, so die Begründung, einfach den Schulkindern die verpflichtende Ganztagsweiterbildung nicht zumuten, weil man dies angeblich Zuhause besser könne und die Kinder lernen müssten, sich selbstständig für die Hausaufgaben zu organisieren. Dass bei einem Lerndefizit sich aber nur die finanziell gut betuchten oder akademisch geprägten Familien einen zusätzlichen Privatunterricht leisten können, wird dabei ignoriert. In vielen beruflich gebundenen oder in sozial schwachen Familien können Eltern ihren Kindern diese Möglichkeit nicht bieten. Es lebe die Klassengesellschaft der 50/60iger Jahre mit seiner Bildungsbenachteiligung von Volksschulkindern. Ein Sprung in die akademische Weiterbildung war 90 Prozent dieser Kinder versagt. Der Staat brauchte damals für den Wiederaufbau Handwerker. Die werden heute ebenfalls wieder händeringend gesucht.
Der FDP-Vertreter hat dann in der Sitzung wieder das hohe neoliberale Lied der Freiheit gesungen, damit die Kinder frühzeitig auf selbstständiges Arbeiten vorbereitet werden, was die Schule angeblich nicht leisten kann.
Klar, dass die Mitglieder der CDU, UWG und ein Vertreter der Grünen (Originalton Quadt-Herte: „Ich finde es großartig, dass Schüler die Wahl haben.“) ebenfalls in dieses Lied einstimmten. Doch wenn Schüler die Wahl haben, werden wieder viele die „Freizeit“ wählen, statt sich „freiwillig“ in der Schule einem Weiterbildungsprozess zu unterziehen. Ob sich dann alle Kinder Zuhause organisieren werden, wie dies die CDU-Frau Christina Flamme betonte, ist aber zu bezweifeln.
Mit 15 Jastimmen, zu 5 Neinstimmen der SPD und bei 2 Enthaltungen beschloss der Schulausschuss ab dem Schuljahr 2020/21, beginnend mit der Klassenstufe 5 aufsteigend, den verpflichteten Ganztagsunterricht zu beenden.
Meine Meinung: Schulpolitik ist und bleibt weiterhin ein von Ideologien beherrschtes Thema. Leider unterstützt der Föderalismus der Bundesrepublik diese unterschiedlichen pädagogischen Vorstellungen, auch wenn sie heute nicht mehr in die Zeit passen. Da sind viele EU-Staaten erheblich weiter im Ausschöpfen der vorhandenen Bildungsreserven ihrer Bevölkerung. Zukunftsorientierte Pädagogen halten diese rückwärtsgerichteten Beschlüsse der Schulkonferenz des Bornheimer Gymnasiums und den politischen Beschluss des Bornheimer Schulausschusses zur Abschaffung des verbindlichen Ganztagsunterrichts schlichtweg für eine Rolle rückwärts in das vergangene 19. und Mitte des 20. Jahrhunderts. Die überwiegende Zahl der Erziehungswissenschaftler sieht den Ganztagsunterricht als ein taugliches Instrument zur Verringerung der Korrelation zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg. Was würde in der heutigen Zeit Alexander-von-Humboldt dazu sagen? HSt.